«Sterilution© Premium» in der Fachwelt
Weltneuheit im Steribereich
«Sterilution© Premium» in der Fachwelt
Beantwortung von Interviewfragen durch Dr. Lothar Gail, Humboldtstrasse 32, 65189 Wiesbaden
1. Frage:
Herr Dr. Gail, erzählen Sie uns etwas über Ihren Werdegang zum Fachspezialisten für Reinraumtechnologie?
Antwort:
Ich habe an der Technischen Universität München Verfahrenstechnik studiert und später über eine Aufgabenstellung aus dem Gebiet der Gelchromatographie promoviert. Meine berufliche Tätigkeit habe ich 1973 in der Hoechst AG begonnen und in Nachfolgegesellschaften der Hoechst AG, einschließlich der Siemens AG, fortgesetzt bzw. beendet. Schwerpunkte meiner Tätigkeit waren bei Hoechst pharmazeutische Produktionsverfahren, Steriltechnik, Partikelmeßtechnik und Reinraumtechnik. Auf diesen Gebieten war ich ferner für nationale technische Gesellschaften (u.a. VDI = Verein Deutscher Ingenieure) und internationale Gesellschaften (u.a. ICCCS = International Confederation of Contamination Control Societies – Internationaler Verband der Reinraumtechnik-Gesellschaften) sowie für die nationale und internationale Normung auf dem Gebiet der Reinraumtechnik tätig.
2. Frage:
Sie haben sich das System «Sterilution» für medizinische Praxen angeschaut. Was waren Ihre ersten Gedanken?
Antwort:
Pauschale Bewertung des Sterilution-Systems: Im Hinblick auf die Aufgabe der Bereitstellung vorsterilisierter Besteckteile unter Vermeidung einer Umverpackung bzw. von Re-Kontamination bei der Entnahme aus einer sterilen Umverpackung ist das vorgestellte Sterilution-System als schlüssige Lösung anzusehen.
3. Frage:
Ärzte (im Speziellen Zahnärzte) sind in den letzten Jahren mit immer strengeren Hygienemassnahmen konfrontiert. Dabei ist der Abfall einer Praxis linear angestiegen. Neu müssen alle medizinischen Instrumente in speziellen Steri-Folien verpackt werden. Mit der «Sterilution» ist ein Verfahren vorhanden, das die Umwelt schont und gleichzeitig die sterile Lagerung von Instrumenten aufrecht hält. Was halten Sie von dieser Behauptung?
Antwort:
Das traditionelle Verfahren der Autoklavierung und nachfolgenden Sterilverpackung (Sterifolien) war für den Fall geeignet, dass man Objekte sterilverpackt bereithält, um sie unter beliebigen Umgebungsbedingungen einzusetzen. In dem heutigen Fall, dass von der Entnahme steriler Geräte bis zu ihrem Einsatz möglichst aseptische Bedingungen an den gesamten Arbeitsprozess gestellt werden, einschließlich der Umgebungsbedingungen, muss bereits die Entnahme steriler Objekte aus der traditionellen Sterilverpackung als Hygienerisiko kritisch gesehen werden.
4. Frage:
Als kritischer Moment im Verfahren wird das Beladen des Autoklaven mit desinfizierten und trockenen Instrumenten betrachtet (Instrumente waren im Vorfeld im Thermodesinfektor). Die Lagerung der sterilen Instrumente befindet sich in deutlichem Abstand zum Autoklaven. Kritiker befürchten, dass Viren, Bakterien, Prionen oder Pilzsporen beim Beladen des Autoklaven von der Person bzw. Aussenwelt auf die steril gelagerten Instrumente im Reinraum fallen können. Sehen Sie da einen Konflikt?
Antwort:
Das Beladen und Entladen eines unter Reinraumbedingungen (ISO Klasse 5) geöffneten Autoklaven kann als kontrollierter Prozess gesehen werden, bei dem eine Kontamination durch Viren, Bakterien, Prionen oder Pilzsporen weitestgehend vermieden wird – vor allem im Vergleich mit einem derartigen Kontaminationsrisiko in der übrigen Reinraumumgebung. Voraussetzung ist dabei, dass dieser Prozess sowohl für Ruhebedingungen als auch für Arbeitsbedingungen mit geeigneten Zielwerten validiert/qualifiziert worden ist und routinemäßig re-qualifziert wird.
5. Frage:
Ich verstehe das so: Aufgrund der Funktionsweise eines Reinraumes ist es nicht möglich, dass Viren, Bakterien, Prionen oder Pilzsporen von desinfizierten Instrumenten auf die steril gelagerten Instrumente «springen» können. Bei den unabhängigen Messungen in der «Sterilution» konnten keine Partikel der Grösse 0.3 Mikrometer gefunden werden. Mikroorganismen (Viren, Bakterien, Pilzsporen und Prionen) benötigen aber ein Trägermolekül (also ein Partikel), um sich verbreiten zu können. Bei dem Überdruck der in einem Reinraum herrscht und der extrem geringen partikulären Belastung in einem ISO 5 (oder sogar noch besser) Sterilraum stehen keine Trägermoleküle der besagten Grösse zur Verfügung. Ist diese Aussage oder Annahme korrekt?
Antwort:
Viren, Bakterien, Pilzsporen und Prionen „benötigen“ keine Trägerpartikel, sondern sie kommen aufgrund ihrer van-derWaals-Bewegung nahezu ausschließlich angelagert an Aerosol- oder Trägerpartikel vor. Soweit Partikel, z.B. größer 0,3μm, ausgeschlossen werden können, kommen auch keine davon möglicherweise transportierten Kontaminationen vor. Die im Sterilution-System verwendeten Hochleistungs-Schwebstofffilter stellen sicher, dass Partikel der kritischen Grösse abgeschieden werden und die Verdrängungsströmung („Überdruck“) im System gewährleistet, dass aus der Raum-Umgebung des Sterilution-Systems keine Kontamination in den geschützten Reinraumbereich gelangen. Gemäss „Annex 1“ der EU-GMP-Richtlinie wird die Kontrolle der Partikelkontamination als zuverlässiges Werkzeug zur Überwachung der Hygienebedingungen in einem sterilen/aseptischen Produktionsbereich der Pharmazie angesehen. Die entsprechenden Partikelgrenzwerte werden dabei für Ruhe- bzw. Arbeitsbedingungen angegeben.
6. Frage:
Als zweiten kritischen Ablauf wurde der Transport der steril gelagerten Instrumente aus der Sterilution hinaus in das Behandlungszimmer benannt. Die Instrumente werden dafür in speziellen Boxen mit Deckel transportiert. Was denken Sie darüber? Ich möchte an dieser Stelle einen Vergleich anbringen: Bei einem chirurgischen Eingriff (zum Bsp. einer Weisheitszahn-Operation oder einer Implantation) liegen alle einst sterilen Instrumente während mindestens einer Stunde unter ISO 9 Bedingungen offen auf einem Tisch vor dem Patienten. Wie gross ist das Risiko einer Kontamination der Instrumente während eines chirurgischen Eingriffes?
Antwort:
Es ist richtig, dass die zum Raum hin offene Exposition sterilisierter Geräte in einer ISO 8/9 – Raumumgebung im Vergleich mit der Lagerung der Geräte in verschlossenen Boxen ein vielfach höheres Risiko darstellt. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass der Innenbereich von verschlossenen Boxen vor den turbulenten Luftbewegungen der Raumumgebung wirksam geschützt ist. Turbulente Luftbewegungen im Raum übertragen zwangsläufig die vom Personal freigesetzten mikrobiellen Kontamination und verteilen sie gleichmäßig im gesamten Raum.
Wenn hier zwischen Instrumenten verglichen wird, die im einen Fall zuvor sterilisiert, dann aus Beuteln entnommen, für eine gegebene Zeit unter ISO 8/9 offen liegen und im anderen Fall bis kurz vor dem Gebrauch aus Deckelboxen entnommen werden, so kann davon ausgegangen werden, dass das Kontaminationsrisiko im zweiten Fall gewiss nicht höher sondern vermutlich deutlich geringer ist. Das Risiko einer Kontamination der sterilen Instrumente darf als direkt proportional zu Expositionszeit innerhalb der turbulenten Luftbewegung im Raum angenommen werden.
7. Frage:
Bei der Sterilution werden die Instrumente kurz vor der Behandlung aus dem Reinraum entnommen und mit einer verschlossenen desinfizierten Plastikbox zum Patienten getragen. Das bedeutet, die Instrumente gelangen aus einer ISO 5 Umgebung heraus für kurze Zeit in ein Behandlungszimmer mit ISO 9, also normale Raumbedingungen. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass während des Transportes die Instrumente kontaminiert werden im Vergleich zu dem Umstand, dass die Instrumente offen während der Behandlung im Behandlungszimmer liegen?
Antwort:
Der lose aufliegende Deckel von „Boxen“ kann durch die vorwiegend laminare Luftbewegung im Deckelspalt eine wirksame Barriere gegenüber luftgetragener Kontamination in der Raumumgebung darstellen, s.a. zu Frage 6. Durch die Bereitstellung sterilisierter Geräte in Boxen kann das Risiko der Kontamination der Geräte durch die Raumumgebung während steriler Eingriffe signifikant gesenkt werden.
Ein möglicher Transport von luftgetragener Kontamination erfolgt in der Raumumgebung unter turbulenten Bedingungen. Der Turbulenzgrad hängt wesentlich von der maßgebenden Breite der Luftströmung (oder „Luftwalze»), im vorliegenden Fall also der Raumbreite ab. Beim Transport von luftgetragener Kontamination vom Raum in das Innere einer mit Deckel verschlossenen Box – z.B. beim Druck- oder Temperaturausgleich zwischen Box-Innerem und Raum – wird diese Strömung wegen des engen Spalts zwischen Box und Deckel laminar. Die konvektive/turbulente Luftbewegung im Raum wird vom Box-Inneren sicher ferngehalten und von der verbleibenden, laminaren Ausgleichsströmung zwischen Raum und Box-Innerem geht nur ein sehr geringes Kontaminationsrisiko aus – durch die Möglichkeit der Partikelabscheidung innerhalb der Spaltströmung zusätzlich vermindert.
8. Frage:
Im herkömmlichen Verfahren wird der Steri-Beutel ebenfalls kurz vor der Patientenbehandlung geöffnet. Sehen Sie da Vorteile bzw. frappante Unterschiede im Vergleich zum Verfahren mit der Sterilution?
Antwort:
Das Öffnen von Steri-Beuteln („Sterifolien“) kurz vor der Patientenbehandlung erfordert im Vergleich mit dem Öffnen von Boxen offensichtlich ein Mehr an störender Manipulation im sterilen Arbeitsbereich und dürfte sich weniger flexibel an den Arbeitsprozess anpassen.
9. Frage:
Wieso werden kritische Herz Operationen unter ISO 5 Bedingungen durchgeführt und nicht bei noch reinerer Umgebung, also z. B. ISO 1 bis 2?
Antwort:
Man kann ISO 5 Bedingungen in aller Regel nur unter Ruhebedingungen, d.h. nur ohne Personaltätigkeit (nicht einmal in Reinraumkleidung!) einhalten. Turbulente Luftbewegung im Raum und Personaltätigkeit vertragen sich nicht mit den ISO 5-Grenzwerten. ISO 5 besagt bereits, dass in der Umgebung keine mikrobielle Kontamination nachweisbar ist und dass man die Reinheit nur mittels Partikelmessung und nicht mehr hygienetechnisch kontrollieren kann. Reinheitsbedingungen besser als ISO 5 spielen daher nur für sonstige technische Prozesse eine Rolle.
10. Frage:
Das Verfahren der Sterilution ist in der Schweiz bisher nur in einer Praxis (Fässler Zahnärzte) existent. Ärzte und Zahnärzte (Praxisinhaber) haben aktuell mehr Vertrauen zu den spezialisierten, aber sehr teuren Plastikbeuteln, in denen die sterilisierten Instrumente eingepackt, versiegelt und anschliessend in Schubladen verstaut werden. Wieso ist es Ihrer Meinung schwierig, ein neuartiges Verfahren einzuführen oder anders gefragt, ein etabliertes Verfahren zu ändern?
Antwort:
Für eine nachweisliche Verbesserung der Reinheitsbedingungen gilt es, den betreffenden Prozess als Reinraumprozess, d.h. als Wechselwirkung zwischen Personaltätigkeit und Luftbewegung (unidirektionale, „laminare“, bzw. turbulente Luftbewegung) zu verstehen und entsprechend zu organisieren. Durch die Untersuchung der Luftbewegung („smoke studies“) und Partikelmessung gelingt es, Reinraumprozesse so zu gestalten, dass die angestrebte Vermeidung von Kontamination erreicht wird. In diesem Sinne ist Sterilution als Schritt zu einer wissenschaftlich qualifizierten Kontaminationskontrolle im Umfeld steriler dentalchirurgischer Eingriffe zu verstehen.
11. Frage:
In der Medizingeschichte wurden neue Ansichten oder Ideen oft von renommierten Experten kritisiert. Ein Beispiel ist die Händedesinfektion, die im Jahre 1860 von Prof. Semmelweiss eingeführt wurde. Er machte sich mit diesem Verfahren lächerlich. Seine damals korrekten Aussagen stiessen auf Unverständnis. Es kostete ihn gar seine Karriere. Heute weiss man, dass er recht hatte. Dasselbe trifft auf das Röntgen von Conrad Röntgen im Jahr 1895 zu.
Jedes neue Verfahren in der Medizin trifft vorerst auf heftige Kritik und Gegenwehr. Ebenso verhält es sich mit der «Sterilution». Das Verfahren ist in medizinischen Praxen nicht vorhanden und neuartig. Wie schätzen Sie die Reaktion bei der Einführung der Sterilution ein? Welche weiteren Validierungsprozesse oder Schritte braucht es, um die Sterilution marktreif und konkurrenzfähig zu machen?
Antwort:
Wissenschaftlich qualifizierte Kontaminationskontrolle erfordert, dass der betreffende Reinraumprozess validiert und alle seine Teilsysteme qualifiziert werden. Es müssen Grenzwerte der Kontamination definiert und deren Einhaltung unter Ruhe- und Arbeitsbedingungen nachgewiesen werden, wenn es darum geht, über die bloße Wiederholung tradierter Techniken hinaus Verbesserungen im Sinne der Beherrschung von Kontaminationsrisiken zu erzielen.
12. Frage:
Als ich Sie nach einer Beurteilung über das Abfallproblem in der Medizin befragte, haben Sie umgehend geantwortet, dass Sie sich diesbezüglich nicht auskennen. Das hat mich beeindruckt. Ich beobachte immer häufiger Opinionleader, die sich allwissend zu jedem Thema äussern und auch Angelegenheiten beurteilen, die Sie nicht kennen. Zum Beispiel äussern sich Biologen oder Zahnärzte zur Sterilution ohne Kenntnis über die Reinraumtechnologie. Welche Experten können denn solide Auskünfte und Einschätzungen (Prognosen/Anweisungen) über die Sterilution geben?
Antwort:
Im Hinblick auf eine unabhängige und fachkundige Bewertung des Sterilution-Systems -wenn es Ihnen darum gehen sollte – würde ich Ihnen vorschlagen, zunächst eine förmliche Qualifizierung, einschließlich von Leistungsmessungen, vorzunehmen und nachfolgend deren Ergebnisse von einem Reinraumexperten bewerten zu lassen. Zu beiden Aspekten bin ich gerne bereit, Ihnen Fachleute vorzuschlagen.
13. Frage:
Es lässt sich ausserhalb der Sterilution ein besonderes Phänomen beobachten: Die Luft im Sterilisationsraum wird zwangsläufig ebenfalls permanent durch die Sterilution mitgefiltert und umgewälzt (mittels eines Hepa 14 Filters und einem Überdruck in der Sterilution). Bei unseren Messungen im Sterilisationsraum waren auch hier deutlich weniger Partikel in der Luft vorhanden im Vergleich zu den übrigen Praxisräumlichkeiten. Salopp gesagt: die Luft in dem Raum um die Sterilution herum ist sauberer/reiner als ohne. Ist dies tatsächlich ein nennenswerter positiver Nebeneffekt? Führt dies zu einer Verbesserung der Luftqualität in dem Raum, in welchem eine Sterilution steht? Oder anders formuliert: Kann dies im Sterilisationsraum gar zu weniger Kontaminationen, Tröpfcheninfektionen oder Aerosolübertragungen führen?
Antwort:
Die Verbesserung der Luftqualität in einem mit dem Sterilution-System ausgestatteten Raum beruht darauf, dass dem Raum ein vergleichsweises großes Volumen hochreiner Luft zugeführt wird und, indem dadurch luftgetragene Kontaminationen verdünnt werden, die Luftqualität nachweislich verbessert wird. Es handelt sich nicht nur um einen Nebeneffekt, sondern darum, das Potential der Sterilution-Einrichtung ganz im Sinne des gesamten, mit Mischlüftung betriebenen Reinraums zu nutzen. Mischlüftung besteht aus turbulenter Raumlüftung, die Verunreinigungen durch Verdünnung eliminiert und (unidirektionaler) Verdrängungslüftung, welche die im Raum freigesetzten Kontaminationen durch Verdrängung ableitet und vom kritischen Bereich fernhält. Ohne Frage ergibt sich aus der in den Raum abgegebenen Luft aus dem Sterilution-System ein nennenswerter Beitrag zur Verminderung von möglichen Kontaminationsquellen.
14. Frage:
Noch eine ganz andere Frage: Führen Klimaanlagen in den Behandlungsräumen zu einer Verbesserung der Luftqualität?
Antwort:
Klimaanlagen führen in den Behandlungsräumen vor allem dann zur Verbesserung der hygienetechnischen Luftqualität, wenn die dem Raum zugeführte Luft durch endständig installierte Schwebstofffilter der Klasse H14 gereinigt wird und der im Raum umgewälzte Luftvolumenstrom insgesamt geeignet ist, freigesetzte luftgetragene Kontaminationen den Zielwerten entsprechend zu reduzieren.
Wiesbaden, den 25.9.2024
Dr. Lothar Gail